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Daniel Yakubovich
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  • Synagogenbau
    • Zur zweiten Auflage
    • Teil I. Geschichte und Gegenwart
      • Synagogen — eine Dialektik zwischen Freiheit und Unterdrückung
      • Eine Gratwanderung — das Dilemma der Rekonstruktion
      • Jegliches hat seine Zeit — Steine zerstreuen und Steine aufsammelnnach
      • Vom Phantom zum Entwurf – die Rykestraße als Echo eines Raumes, der nicht mehr ist
      • Asche zu Asche — neue Formen einer lebendigen Erinnerung
    • Teil II. Projekt und Programm
      • Entwurfsgrundlagen
      • Himmelsleiter (Treppenhaus)
      • Amalgam (sekuläre Räume)
      • Zwischenraum (Entrée)
      • Festtagssynagoge
      • Hortus Conclusus (Dachgarten)
      • Mikwe
      • Wohnburg
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      • Schoah-Fassade (Hof)
      • Blick hinter die Kulissen
    • Teil III. Resonanz und Rezeption
      • Gesendet: Gespräche, die bleiben…
      • „Architektur kann kein Trauma heilen“
      • „Geschichte kann man nicht zurückbauen“
      • „Wie soll der Wiederaufbau aussehen?“
      • „Synagogen entwerfen ohne Juden?“
      • „Man macht das Zerstörte architektonisch ungeschehen“
      • Nachwort (2025)
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    • Kay Zareh (1943–2025)
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Daniel Yakubovich Daniel Yakubovich

Friedrich Schröder-Sonnenstern

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„Ich praktiziere die schönsten, ekligsten Bilder der Welt.“

Friedrich Schröder-Sonnenstern, zit. nach: Zitate von Schröder-Sonnenstern, zusammengestellt nach handschriftlichen Notizen und Tonbandaufzeichnungen von Jes Petersen, Berlin.

In Die Pferdearschbetrachtung, einer Sammlung von Schröder-Sonnensterns Texten, die Jes Petersen 1972 zusammengestellt und publiziert hat, heißt es: „Sonnensterns Philosophie und Werk kann man nur verstehen, wenn man alle Bilder an eine riesige Wand dicht beieinander hängen würde. Alle Bilder sind nur Teilabschnitte von der großen Sonnensternphilosophie.“ Tatsächlich hängen die Hauptwerke der Sammlung so zusammen, wie der selbsternannte „dreifache Weltmeister“ es vorgeschlagen hat. „Er wäre mit der Wand sehr zufrieden“, so die Sammlerin.

Die vorliegende Publikation, die sich ohne jede falsche Bescheidenheit und mit einer gesunden Dosis an Selbstironie bereits im Titel bewusst als „Buchdenkmal“ bezeichnet, bündelt erstmals in geschlossener Form all das, was sich über mehr als fünf Jahrzehnte in einer Berliner Wohnung in Wilmersdorf und später Charlottenburg zu einer der wohl bedeutendsten Privatsammlungen der Arbeiten Friedrich Schröder-Sonnensterns verdichtet hat: die vielschichtige, von Nähe, Irritation und professioneller Distanz zugleich geprägte Beziehung der Psychotherapeutin Angelika Bütow zu dem Künstler Friedrich Schröder-Sonnenstern. Von der Psychiatrie lange als „geisteskrank“ etikettierten, autodidaktischen Künstler, gilt er heute als einer der bedeutendsten Vertreter der sogenannten Art brut. Der beiderseitige Briefwechsel, zahlreiche Widmungen Schröder-Sonnensterns und die Erinnerungen der jungen, noch in der Ausbildung stehenden Therapeutin bilden heute den Kern einer Privatsammlung, die 2024 im Mönchehaus Museum Goslar erstmals in ihrer ganzen Spannweite öffentlich gezeigt wurde. Herausgegeben von Daniel Yakubovich, versteht sich das Buch als Doppelportrait: Es beleuchtet den Künstler durch das Prisma einer gewachsenen Sammlung und zugleich die Sammlerin als Zeitzeugin und Mitautorin dieser Erzählung. Die bewusste Verschränkung beider Perspektiven macht sichtbar, wie eng sich Werk und Autor gegenseitig bedingen – und insistiert doch darauf, sie analytisch zu entkoppeln, um ein möglichst unvoreingenommenes Bild sowohl des Menschen Schröder-Sonnenstern wie auch seiner Bildwelt zu ermöglichen.

Im ersten Teil berichtet die Sammlung autobiographisch von ihrer Begegnung mit Schröder-Sonnenstern Ende der 1960er Jahre, von ihren Jahren im Klinikalltag, von Besuchen des „Meisters“ in ihrer Wilmersdorfer Altbauwohnung und von einem Westberliner Milieu, in dem Psychiatrie, Kunstbetrieb und Subkultur aufeinandertrafen. Sie beschreibt ihn nicht als „Fall“, sondern als eigenwillige, hochlebendige Person mit archaischem Überlebenswillen, der seine „tragikomischen Opern“ in Bild und Wort entfaltete. Das Buch korrigiert damit die lange dominante Sichtweise der psychiatrischen Literatur und verschiebt den Fokus von der Diagnose zurück zum Werk: Bilder sind hier nicht Symptome, sondern moralische Bildergeschichten, groteske Gleichnisse und eigensinnige Kommentare zur Nachkriegsgesellschaft.

Dem subjektiven, zeitgeschichtlichen Erinnerungsstrang ist ein quellenkritisch erarbeitetes Verzeichnis der in der Sammlung Angelika Bütow befindlichen Arbeiten gegenübergestellt. Jedes Blatt wird durch technische Angaben (Datierung, Technik, Maße, Signatur), Provenienz, Ausstellungsbeteiligungen und Literaturhinweise sowie durch knappe Bildbeschreibungen und ikonographische Kommentare erschlossen. Auf Grundlage der vorhandenen Forschung und eingeholter Gutachten werden dabei auch Fragen der Zuschreibung und Authentizität markiert; zugleich werden die Übergänge sichtbar, die sich aus Kopistentätigkeit, Werkstattpraxis und späteren Zuschreibungen ergeben. In dieser Zusammenschau wird die komplexe Überlieferungs- und Echtheitsproblematik im Œuvre Schröder-Sonnensterns nachvollziehbar gemacht, ohne den Charakter der vorliegenden Gutachten zu verändern oder zu ersetzen.

© 2025 Daniel Yakubovich

Methodisch folgt das Verzeichnis einem ganz eigenen Ordnungsprinzip: Die Werke werden in der Reihenfolge ihrer Aufnahme in die Privatsammlung Bütow präsentiert, gestützt auf Kaufbelege, Lieferscheine, Überweisungsbestätigungen und Korrespondenzen mit Galerien wie Rudolf Springer, Jes Petersen und weiteren Verkäufern. Statt stilkritischer oder motivgeschichtlicher Hierarchien tritt damit eine nüchterne Chronologie von Auktionen und Akzessionen, die zugleich die Brennspur eines Sammlerlebens sichtbar macht. Aus dieser Perspektive entsteht so etwas wie ein „Proto-Gesamtverzeichnis“ der Sonnenstern-Arbeiten innerhalb einer einzelnen Sammlung – offen für spätere Ergänzungen, aber in sich geschlossen und mit größtmöglicher Präzision im Umgang mit den Quellen.

Die Entstehung des Buches ist selbst Teil seiner Erzählung: Angelika Bütow hat über Jahrzehnte hinweg Photos, Zeitungsausschnitte, Briefe, Widmungen, Rechnungen und Digitalisate aufbewahrt – im Bewusstsein, dass daraus irgendwann ein Buch werden müsse. Der Herausgeber knüpft daran an, ordnet, systematisiert und digitalisiert dieses Material, reaktiviert alte Kontakte und holt bisher unveröffentlichte Arbeiten Schröder-Sonnensterns ans Licht. Die Publikation fügt sich damit bewusst in die bestehende Forschung ein (u. a. Ferentschik, Gorsen, Schmied, Werner/Kort), erweitert sie um die Perspektive einer kompakten Berliner Privatsammlung, die aus dem Inneren der Beziehung zwischen Künstlerschaft, Sammlerin und Markt erzählt. Ausgewählte Passagen liegen zusätzlich in englischer Übersetzung vor und machen zentrale Teile des Bandes einem internationalen Publikum zugänglich.

Das Ergebnis ist ein hybrider Band zwischen Memoir, Sammlungskatalog und Forschungsbeitrag: ein zeitgeschichtliches Dokument der Westberliner Kunstszene, ein sorgfältig erarbeitetes Verzeichnis der in Privatbesitz befindlichen Arbeiten Schröder-Sonnensterns und zugleich eine Reflexion darüber, wie sich das Bild dieses Künstlers im Wechsel von Fälschungsskandalen, Forschung und Sammlerperspektive verändert hat. In seiner Konzeption spricht das Buch vor allem Leser mit Interesse an Kunstgeschichte, Sammlungspraxis und Westberliner Zeitgeschichte an, ohne den Charakter einer privaten, in kleiner Zahl vervielfältigten Dokumentation zu verlassen.

© 2023 Daniel Yakubovich

externer Link

Zur Ausstellung im Mönchehaus Museum in Goslar

(Hintegrundbild: Püssy, die mondmoralische Märchenwundersau vom Kurfürstendamm)

© 2024 Daniel Yakubovich
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