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Daniel Yakubovich
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Daniel Yakubovich Daniel Yakubovich

„Architektur kann kein Trauma heilen“

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Nikolaus Bernau im Deutschlandfunk über die Wiederaufbaupläne der Synagoge Fraenkelufer

Quelle: Deutschlandfunk Kultur, Sendung „Kultur heute“, 29. August 2022. Moderation: Michael Köhler. Gespräch mit Nikolaus Bernau über die Abschlussarbeit von Daniel Yakubovich und die Wiederaufbaupläne der Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg.

zum Beitrag auf dem Website des Deutschlandfunk Kultur nachfolgender Link:

Zum Beitrag auf Deutschlandfunk Kultur

„Kultur heute“, 29. August 2022. Moderation: Michael Köhler. Gespräch mit Nikolaus Bernau

Hinweis zur Textgestalt

Der nachfolgende Beitrag beruht auf einem ausgestrahlten Rundfunkbeitrag. Er stellt kein wortgetreues Transkript der Sendung dar, sondern eine eigenständige inhaltliche Wiedergabe des Autors. Der Text ist keine Veröffentlichung von Deutschlandfunk und steht in redaktioneller Verantwortung dieser Website.

Aus urheberrechtlichen Gründen werden die Aussagen der Beteiligten überwiegend paraphrasiert und in indirekter Rede wiedergegeben, teilweise zusammengefasst und kontextualisiert. Reihenfolge, Auswahl und Formulierungen folgen der inhaltlichen Struktur des Gesprächs, nicht der technischen Schnittfassung der Originalausstrahlung.

Ein „positives“ Projekt mit blinden Flecken

Ausgangspunkt des Radiogesprächs ist die Beobachtung, der geplante Wiederaufbau der großen Synagoge am Berliner Fraenkelufer erscheine in der Öffentlichkeit zunächst wie eine rein gute Nachricht: Als könne eine Rekonstruktion symbolisch „rückgängig“ machen, was in der Pogromnacht zerstört wurde. Michael Köhler skizziert hierzu die lange Vorgeschichte der Wiederaufbauidee und die Frage, ob nach Brandstiftung, Kriegszerstörung und Abriss eine 1:1-Replik oder ein zeitgenössischer Entwurf angemessener sei – und mit welcher überfordernden Erwartung an Heilung und „Wiederherstellung“ eines Zustands, den es so nie wieder geben kann. Yakubovichs Masterarbeit liest den geplanten Wiederaufbau als Symptom einer tieferliegenden erinnerungskulturellen Problematik.

Politik, Symbolik und eine abgesagte Übergabe

Nikolaus Bernau berichtet von einem Anlass, der eigentlich den Einstieg in eine breitere Debatte markieren sollte: Daniel Yakubovich wollte seinen Alternativentwurf offiziell im Berliner Senat übergeben. Formal aus Termingründen geplatzt, erhält diese Absage vor dem Hintergrund von Salehs starkem Engagement für eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion einen symbolischen Beigeschmack. Yakubovich lehnt einen historisierenden Wiederaufbau in dieser Form ab; Bernau verweist auf erste Proteste gegen das Saleh-Projekt und zieht Parallelen zum Bornplatz-Synagogenprojekt in Hamburg.

Warum Rekonstruktionen so beliebt sind – und was dagegen spricht

Auf die naheliegende Frage, was man gegen den Wiederaufbau eines zerstörten jüdischen Gotteshauses überhaupt haben könne, verweist Bernau auf die breitere Debatte um Architekturrepliken. Hinter vielen Projekten stehe die unausgesprochene Hoffnung, Wunden zu versiegeln oder Zäsuren unsichtbar zu machen – eine Vorstellung, die emotional nachvollziehbar, aber problematisch sei: Architektur könne kein Traumata heilen, sondern es allenfalls sichtbar halten oder kritisch rahmen. Zugleich würden Rekonstruktionen in der Öffentlichkeit meist rein ästhetisierend verhandelt. Gerade im Fall der Fraenkelufer-Synagoge sei das unzureichend: Der Tempelcharakter mit vier dorischen Säulen und der Bezug auf „Spree-Athen“ hätten einen klaren nationalen, teilweise nationalistischen Aussagegehalt getragen und die starke patriotische Selbstverortung der jüdischen Gemeinden im Kaiserreich gespiegelt. Bernau kritisiert, dass dieser nationale Anteil des deutsch-jüdischen Selbstverständnisses in der heutigen Erinnerungskultur weitgehend ausgeblendet wird, sodass „nur“ über eine schöne Form gesprochen werde und die teils streitbare Bedeutungen verdrängt würden – ähnlich wie im Fall der Kuppel des rekonstruierten Berliner Schlosses.

Fraenkelufer als Projekt der Mehrheitsgesellschaft

Zentral ist für Bernau ein Perspektivwechsel, den er aus Yakubovichs Arbeit übernimmt: Die Projekte in Berlin und Hamburg werden nicht nur als Bauvorhaben für jüdische Gemeinden, sondern auch als Versuch der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft gelesen, das Trauma der Shoah baulich zu bewältigen. Vor diesem Setting fordert Yakubovich, so Bernau, zunächst etwas vermeintlich Selbstverständliches: eine breite, offene Debatte, die der symbolischen Aufladung des Ortes angemessen wäre. Faktisch habe es bislang „keine Debatte“ gegeben. Daraus leitet sich die Forderung nach einem Architekturwettbewerb ab: Das heutige Raumprogramm unterscheide sich grundlegend von Beers Planung, sodass es keine einfache Rückkehr zu einer alten Hülle mit neuem Inhalt geben könne.

Rekonstruktion oder zeitgenössische Lösung?

Im weiteren Verlauf fasst Bernau die Leitlinien des Alternativentwurfs zusammen. Yakubovich plädiert für eine zeitgenössische architektonische Antwort, die sowohl die materiellen Reste der zerstörten Synagoge als auch die heutigen Bedürfnisse der Gemeinde ernst nimmt. Die noch vorhandenen Schutthügel – mutmaßliche Trümmer des früheren Hauptbaus – sollen nicht überformt oder beseitigt, sondern in ein neues Ensemble eingebunden werden; die Zerstörung soll im Baukörper lesbar bleiben, statt hinter einer rekonstruierten Kaiserzeitfassade zu verschwinden. Bernau kritisiert zuspitzend die Praxis, „irgendeine Fassade“ nachzubauen und „irgendetwas“ dahinterzusetzen – etwa ein Gemeindezentrum anstelle einer eigentlichen Synagoge –, ohne liturgische Funktion, innere Nutzung und städtebauliche Bedeutung mitzudenken. Die von ihm so bezeichnete „Kernforderung“ ist daher weniger eine einzelne Maßnahme als ein Bündel von Bedingungen:

  • eine offene, kontroverse Debatte über Sinn und Form eines Wiederaufbaus,
  • ein Architekturwettbewerb, der zeitgenössische Lösungen tatsächlich zulässt,
  • und ein Umgang mit den materiellen Resten der zerstörten Synagoge, der die Brüche der Geschichte sichtbar hält, statt sie hinter einer historisierenden Kulisse verschwinden zu lassen.

Nachbemerkung

Die Deutschlandfunk-Sendung „Kultur heute“ vom 29. August 2022 griff in einem Interview von Michael Köhler mit Nikolaus Bernau erstmals öffentlich die Kritik an der geplanten Rekonstruktion der Synagoge am Berliner Fraenkelufer auf – und würdigte die vorliegende Arbeit als eigenständige architektonische und erinnerungspolitische Position. Dass dieses Thema in einem überregionalen Kulturradio aufgenommen wurde, markiert einen wichtigen Schritt, der dem Gegenentwurf eine erste mediale Öffentlichkeit verschaffte. Inhaltlich gelingt es Bernau, einige grundlegende Argumentationslinien der Masterarbeit pointiert zu benennen, etwa den Bruch mit der nationalpatriotischen Bildsprache kaiserzeitlicher Synagogen, die verkürzte, rein ästhetisierende Auseinandersetzung mit Nachbauten und die instrumentelle Nutzung von Architektur zur Traumabewältigung der deutschen, nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft.

Und doch bleibt der Beitrag in seiner Tiefe begrenzt. Der Duktus des Gesprächs gleicht eher einem improvisierten Feuilletonkommentar als einer sorgfältig recherchierten journalistischen Auseinandersetzung. Wiederholungen, unscharfe Formulierungen und ein mehrfach unpräzise wiedergegebener Projektkontext lassen Zweifel aufkommen, ob der Entwurf und seine methodischen Anlagen tatsächlich gelesen wurden. So wird Yakubovich wiederholt auf seine Funktion als „junger Student“ reduziert, während zugleich von einer großen „Kernforderung“ gesprochen wird, die in dieser Pauschalität gar nicht erhoben wurde. Die Forderung nach einem Architekturwettbewerb etwa ist als Teil eines größeren systemischen Arguments zu verstehen – sie steht nicht für sich, sondern in Verbindung mit einer Kritik an symbolischer Machtvergabe, Intransparenz und einer Erinnerungsarchitektur als politischem Instrument.

Vor allem aber fehlt dem Beitrag eine vertiefte Auseinandersetzung damit, wie eine so hochsymbolische Entscheidung zum Wiederaufbau einer zerstörten Synagoge ohne jahrelange, der Entscheidung vorausgehende, offene und partizipative Debatte und ohne ernsthafte jüdische Beteiligung in die Wege geleitet werden konnte. Bernau erwähnt zwar, dass bislang „keine Debatte“ stattgefunden habe – doch eine Analyse der Gründe, Akteure oder historischen Muster dieser Leerstelle bleibt in der Kürze der Sendezeit aus.

So entsteht eine Sendung, die erstmals hörbar macht, dass es Widerspruch gibt – aber nicht, wie dieser Widerspruch verhandelt, begründet oder verdrängt wurde. Für einen ersten Beitrag war dies mehr als nichts; gleichwohl bleibt der Text unter den Möglichkeiten eines öffentlich-rechtlichen Kulturjournalismus, der den Anspruch haben sollte, tiefer zu gehen, den Finger länger in der Wunde zu lassen und nicht nur über Akteure zu sprechen, sondern auch mit ihnen.

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Siehe auch:

Im Moment der Sprengung. …die Behörden nennen es Beräumung, die Photographie zeigt eine negative Liturgie: ein kurzer Rauchaufstieg als endgültiges „Amen“ aus Stein; der Körper verschwindet, die Verpflichtung des Ortes bleibt.

Teil I.

Geschichte und Gegenwart

Teil II.

Projekt und Programm

Danksagung

urbi et orbi

© 2025 Daniel Yakubovich

Zur zweiten Auflage

ein einleitender Kommentar

© 2025 Daniel Yakubovich

Kay Zareh

eine Biographie

© 2023 Daniel Yakubovich

Glossar

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